Historie

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Einige Minuten später stieg der Ballon jedoch tatsächlich auf, und der betagte Adlige, der ihn über die Bäume schweben sah, sank auf die Knie wie jemand, der ein Wunder erlebt. „Ja, es ist gewisslich wahr!“ prophezeite er den Männern, die jetzt aus der unter der farbenprächtigen Seidenkugel hängenden Gondel winkten. „Sie werden das Geheimnis entdecken, wie man dem Tode entrinnt.“

Selbstverständlich hatten die Ballonfahrer keine Methode gefunden, dem Tode zu entgehen - tatsächlich sollte er einige von ihnen nur allzu früh ereilen. Aber sie hatten eine Möglichkeit entdeckt, die menschliche Lebenserfahrung zu erweitern und sich zumindest zeitweise von den Fesseln der Schwerkraft zu lösen, um ungehindert in eine neue und faszinierende Dimension zu entschweben. Der Anblick ihrer Mitmenschen, die an diesem Nachmittag zum Himmel aufstiegen, war für die Hunderttausende von erdverhafteten Parisern, die zumindest einen kurzen Blick auf den Freiballon erhaschten, so verblüffend, dass sie das Jahr 1783 wie der Herzog von Villeroi als annus mirabilis - Jahr der Wunder - in Erinnerung behielten.

Aus der Sicht der Ballonfahrer hatte das Jahr der Wunder schon knapp sechs Monaten zuvor begonnen - jedoch nicht in Paris, sondern in Südfrankreich, wo zwei Brüder auf die Idee gekommen waren, die heiße Luft über einem Feuer in einem großen Beutel aus Papier und Leinen einzufangen.

Joseph Montgolfier befasste sich mit Ballonen - wobei die dafür genannten Gründe eher ins Reich der Fabel gehören dürften. Der einen Darstellung zufolge soll er auf das Prinzip des Fluges mit Geräten „leichter als Luft“ gekommen sein, als er beobachtete, wie der vor einem Kaminfeuer hängende Unterrock seiner Frau von der aufsteigenden Warmluft in die Höhe gehoben wurde.

Nach einer anderen Lesart ging die ursprüngliche Idee auf eine einfache Papiertüte, in der Zucker abgepackt gewesen war, zurück: Als die leere Tüte ins Feuer geworfen wurde, stieg sie in den Schornstein hinauf, ohne zu verbrennen. Tatsache ist, dass die physikalischen Grundlagen solcher Phänomene zur Zeit der Gebrüder Montgolfier bereits wohlbekannt waren. Der griechische Mathematiker Archimedes hatte sie vor fast 2000 Jahren in seiner Abhandlung „Über schwimmende Körper“ auseinandergesetzt. Nach dem Archimedischen Prinzip ist der Auftrieb eines Körpers gleich dem Gewicht der von ihm verdrängten Flüssigkeitsmenge.


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